Einer ist irre – aber welcher?
Auf den ersten Blick sind Rassewelpen aus osteuropäischer Massenzucht kaum von gesunden Tieren zu unterscheiden. Aber viele von ihnen sind krank oder verhaltensgestört. Dennoch werden sie zu Zehntausenden nach Deutschland verkauft. Birgitt Thiesmann von der deutschen Tierschutz-Stiftung erklärt, worauf zu achten ist Von Elke Bodderas
Es regnete, als der voll beladene Lkw aus der Slowakei ins Schleudern kam. Das Unglück, geschehen Ende März 2012, kostete ungewöhnlich viele Beteiligte das Leben – der Transport war mit lebenden Tieren unterwegs. Keine Hühner, keine Schweine, keine Schlachthofrinder. Es waren Rassehunde, Bernhardiner, Bulldoggen, Möpse, Huskys, ein Querschnitt der beliebtesten und verkaufsstärksten Hunderassen in Deutschland (Link: http://www.welt.de/themen/deutschland-reisen/) . Alle mit gefälschten Papieren, alle schon vor dem Transport verstört, verhaltensauffällig, viele krank – und alle über das Internet bestellt und verkauft. Ein gesunder, liebevoll und artgerecht umsorgter Rassewelpe kostet in Deutschland etwa 1000 Euro und mehr. Der Preis ist deshalb fair, weil die Tiere umfassend tierärztlich versorgt, geimpft und meist auch mit großem Engagement vom Züchter aufgezogen sind.
Das steht in krassem Gegensatz zu den Bedingungen in Osteuropa – Rumänien, Ukraine, Polen (Link: http://www.welt.de/themen/polen-reisen/) , der Slowakei. Zumeist handelt es sich dort um Tierproduktionen nach den gleichen Methoden, wie sie in der irregulären Massentierhaltung üblich sind – in Schweinemastanlagen, in Hühnerfabriken. Eingesperrt in verdreckten Zwingern, gefüttert mit Abfall, bringen die Hündinnen – hormonell präpariert – zweimal im Jahr Welpen zur Welt. Sie sind für den westeuropäischen Markt bestimmt, bevorzugte Absatzgebiete sind Belgien, die Niederlande und Deutschland. Die Welpen werden oft erheblich zu früh von den Muttertieren getrennt – mit vier Wochen. So alt sind die Tiere, die skrupellose Händler im Internet zum Superpreis verramschen. "Der Welpenhandel ist ein Millionengeschäft", sagt Birgitt Thiesmann von der deutschen Tierschutz-Stiftung "Vier Pfoten". Es gibt eine erschütternde, neue Entwicklung: "Wir stellen fest, dass immer mehr Deutsche mitmischen." Zwar gibt es im Schwarz- und Graumarkt keine verlässlichen Zahlen. Aber das niederländische Landwirtschaftsministerium schätzt, dass zwei von drei verkauften Welpen in Holland von osteuropäischen Tierquälern stammen. In Belgien liegt der Anteil sogar bei achtzig Prozent, schätzt das Hundemagazin "Dogs". Die Zeitschrift hat mit mehreren Tierschutzorganisationen eine Initiative gegen den Welpenhandel ins Leben gerufen.
In Deutschland werden jährlich 500.000 Hundewelpen verkauft. Jeder fünfte stammt aus dem Ausland, schätzen die Autoren (Link: http://www.welt.de/themen/autoren/) des Buches "Die Welpenmafia", das Anfang Februar erscheint. Zwar ist der Handel mit kleinen Hunden nicht verboten – sofern zuvor alles seine Richtigkeit hatte mit Tierschutzgesetz, den Impfvorschriften und den Transportbestimmungen der EU. Doch bei den Hunden, die ihre Peiniger zu Abertausenden in Lkws kreuz und quer durch Europa verschieben, sind gefälschte Impfpässe und erfundene Ahnentafeln die Regel. Sie stammen meist von Rassehundevereinen, die im Dachverband VDH nicht aufgelistet sind. "Tierärzte in ganz Europa machen mit beim Welpengeschäft", sagt Birgitt Thiessmann, "in Wien (Link: http://www.welt.de/themen/wien-staedtereise/) sind einige Ärzte aufgeflogen, die Hunde mit Wasser statt mit Serum ,impften'. Anschließend haben sie einen Impfpass ausgestellt." Die Vermutung liegt nahe, dass sich auch deutsche Tierärzte illegal am Welpenhandel bereichern.
Welt am Sonntag:
Wie kommt die Hundemafia an ihre deutschen Kunden?
Birgitt Thiesmann:
Im Internet. Ein gutes Beispiel ist die Site Kijiji.de, die zu Ebay gehört. Das ist eines der größten Tierportale im Internet. Gegenwärtig sind dort etwa 86.000 Welpen inseriert, stündlich werden es mehr. In neunzig Prozent der Fälle heißt es da "Hunde aus eigener Zucht, liebevoll aufgezogen, mit Stammbaum, geimpft". In Wirklichkeit sind die Verkäufer Zwischenhändler, die sich die Tiere für möglichst kleines Geld besorgt haben. Die Hunde sind ungeimpft und fast immer krank. Diese Hunde kosten manchmal nur 150 Euro, oft aber auch 650 oder 750 Euro, für einen gesunden Rassehund klingt auch das noch nach einem Schnäppchen. Sie kommen aus unseriösen Züchterstationen aus dem Osten, haben Tausende Kilometer Transport hinter sich, sind traumatisiert, verhaltensgestört.
Woran erkenne ich, dass hinter einer Annonce Tierquäler stecken?
Wer nicht erkannt werden will, gibt eine Handynummer an, in der Regel von einem Prepaid-Handy. Zu dem Anbieter finden Sie keine Informationen, außer dieser Nummer. Oft haben diese Händler die Welpen mehrerer Rassen im Angebot. Die Täter haben inzwischen aber dazugelernt. Sie inserieren jetzt nicht mehr mehrere Rassen mit einer Anzeige, sie verteilen ihr Sortiment auf mehrere Annoncen. Die erste für Golden Retriever, die zweite für Boxer, die dritte für Doggen und die vierte für Chihuahua, jeweils mit verschiedenen Handynummern. Tatsächlich ist es aber derselbe Anbieter.
Sie möchten den Handel mit Hunden im Internet grundsätzlich verbieten?
Ja.
Wer nicht zufällig einen Züchter kennt, ist doch aufs Internet angewiesen ...
Das ist niemand. Wer einen Golden Retriever sucht, geht auf die Website der deutschen Hundezüchter www.vdh.de. Dort sind nur seriöse Züchter gelistet, die man besuchen kann. Sie zeigen ihre Hunde vor – und wie sie leben. Wem ein Besuch nicht reicht, der kann auch mehrmals kommen. Ein Welpe sollte mindestens acht Wochen bei seiner Mutter bleiben. Die Mutter muss geimpft sein, medizinisch versorgt und sie darf auf keinen Fall öfter als einmal im Jahr werfen. Unerlässlich auch: Die soziale Umgebung muss stimmen. Die Welpen sollten sofort nach der Geburt in Kontakt mit Menschen kommen. Nicht mit irgendwelchen Menschen, es müssen Bezugspersonen sein. Keine Vermehrerstationen, keine negativen Kontakte.
Was spricht dagegen, wenn ein Züchter seine Tiere beim Kunden zu Hause zeigt?
Wer seriös ist, lädt den Kunden zu sich in die Zucht ein. Unseriöse Händler vereinbaren Treffen an anonymen Orten. Der Grund ist der, dass sie die Frage nach dem Muttertier fürchten. Da müsste er passen, weil er ja die Tiere sehr jung aus einer Vermehrerstation bezogen hat. Es gibt die wildesten Geschichten. Ein Käufer möchte die Hunde beim Züchter zu Hause besuchen, doch der Verkäufer sagt, ich wohne in einem Neubaugebiet, das findet Ihr Navi nicht, wir treffen uns lieber an der S-Bahn-Station. Ein anderer Händler hatte sich zurechtgelegt, die Mutter sei bei seinem Bruder, wie auch die Impfpässe.
2012 wurden mehrere Welpentransporter auf deutschen Autobahnen gestoppt. Wie viele Hunde fahren dort mit?
Das ist unterschiedlich. Mal ist es ein privater Pkw, mal sind es kleine Transporter (Link: http://www.welt.de/motor/fahrberichte-tests/vans/) voller Hunde, mal ein großer Lkw wie jener, der im März auf der A 61 umgekippt ist.
Welches sind die häufigsten Rassen der Welpen-Mafia?
Begehrt sind Möpse, Französische Bulldoggen, aber auch Golden Retriever, Malteser. Ganz kleine Hunde wie der Chihuahua.
Hat die Zahl der Welpen aus den osteuropäischen Produktionen zugenommen? Schwer zu sagen, aber vermutlich ja.
Die Zahl der Hunde in Deutschland liegt relativ konstant bei fünf Millionen, aber viele Menschen wollen einen Rassehund, der inzwischen als Statussymbol gilt.
Ich halte einen dieser Hunde auf dem Arm – woran kann ich erkennen, dass er aus einer Massenzucht stammt?
Einem Laien fällt nichts auf, zumal viele Welpen auch Cortison oder Aufbaustoffe bekommen. Die Hunde halten sich ein bis zwei Tage – und dann geht's los.
Was denn?
Wenn die Hunde Staupe oder den Parvovirus in sich tragen, sterben sie innerhalb von drei Tagen unter Qualen. Diese Hunde kommen aus Vermehrerstationen, sie liegen im Dreck, sehen kein Tageslicht. Es liegt so viel Ammoniak in der Luft, dass man kaum atmen kann. In diese Zustände werden die Welpen hineingeboren, sodass man sich wundert, dass sie die ersten vier Wochen überhaupt überleben. Wir haben auch schon tote Hunde aus den Verschlägen gezogen. Den Verlust haben die Händler einkalkuliert. Sie verdienen mehrere Millionen Euro, sie investieren nichts und verdienen 450 Euro pro Tier.